Das «Enfant terrible» der Modewelt

Jean Paul Gaultier – der exzentrische Modedesigner wird 70!

Auch ohne den Besuch einer Modeschule gelang es Jean Paul Gaultier, durch sein Talent und mutige Entscheidungen die Branche zu revolutionieren und selbst zur Ikone zu werden.

Bild: Getty Images

Hört man den Namen Jean Paul Gaultier (70), denkt man sofort an gestreifte Matrosen-Shirts, Korsetts, spitz zulaufende BHs und Parfums in torsoförmigen Flakons. Der Stardesigner wird am 24. April 70 und ist auf der ganzen Welt für seine extravaganten Designs und Spass an der Mode bekannt. Seine Shows zelebrierten Freiheit und Diversität, nicht nur was die oft genderfluide Mode, sondern auch die Auswahl seiner Models anbelangt.

Gaultier arbeitete ein halbes Jahrhundert in der Modebranche, die er vor allem in den letzten drei Jahrzehnten stark beeinflusste, bis er vor zwei Jahren seine letzte Fashionshow präsentierte. Er wurde im Laufe seiner einzigartigen Karriere selbst zur Ikone, was er nicht nur seiner Kreativität und seinem Mut, sondern auch seiner humorvollen, bodenständigen Art zu verdanken hat.

Gaultier wurde 1952 in einem Vorort von Paris geboren und war schon als Kind kreativ. Vor allem seine Grossmutter, die in ihrem Haus einen Schönheitssalon betrieb, förderte seine Begabung und inspirierte ihn. Sie war es auch, die ihn erstmals in den später für ihn typischen weiss-blau-gestreiften Shirts kleidete. So verbrachte der sonst eher schüchterne Junge aus einfachen Verhältnissen die meisten seiner Wochenenden bei ihr. Mit 13 entwarf er für seinen Teddybär Nana, den er bis heute besitzt, den berühmten konischen BH, der Madonna (63) 1990 auf ihrer «Blond Ambition Tour» tragen sollte.

Seine Karriere in der Modebranche begann er mit 18 Jahren neben der Schule bei Pierre Cardin (1922-2020), nachdem Gaultier ihm und anderen bekannten Modedesignern einige seiner Zeichnungen geschickt hatte. Die erste eigene Prêt-à-porter-Kollektion folgt nach nur wenigen Zwischenstationen im Jahr 1976, die er ohne grosses Budget auf die Beine stellte. 1978 gründet er unter seinem Namen das Modeunternehmen «Jean Paul Gaultier SA».

Gaultier lebte 15 Jahre mit seinem Geschäftspartner und der Liebe seines Lebens, Francis Menuge, zusammen, der Ende der 80er-Jahre an den Folgen von Aids starb. Seitdem setzt sich der Designer öffentlich für die Prävention von HIV ein.

Seine erste Haute-Couture-Show präsentierte Gaultier 1997 und benennt sein Unternehmen in «Gaultier Paris» um. Neben der Arbeit für sein eigenes Label und weiteren Modeprojekten, wie eine eigene Unisex-Linie oder Kindermode, schuf Gaultier als Chef-Createur von 2003 bis 2011 die Prêt-à-porter-Damenkollektionen des Luxus-Modehauses Hermès.

Gaultier liebt das Unperfekte, er bricht Geschlechterrollen und Konventionen auf und ist unter anderem von Paris, der Strasse und vom Punk inspiriert. So brachte der Rebell unter den Modedesignern den Streetstyle auf den Laufsteg und verwendete für seine Outfits auch Denimstoffe. Seine Kreationen liess er von Menschen verschiedener Altersklassen, Herkunft, Geschlechtsidentität und Körpergrösse sowie von schwangeren Frauen präsentieren, die nicht den typischen Laufstegmodels entsprachen, denn er wollte, dass seine Mode an jedem Körper gut aussieht.

Der Stil des Stardesigners prägte die Popkultur, für die er sich bis heute brennend interessiert. So kleidete er zum Beispiel Musiker ein, entwarf die Kostüme für Filme und wagte sich auch an andere Projekte, wie einen eigenen Song («How to Do That», 1989), die Moderation von Fernsehshows oder das Schauspielen.

2020 veranstaltete Gaultier seine letzte Modenschau, in der er seine 50-jährige Karriere feierte. Auch wenn er selbst nicht mehr zu Faden und Schere greift, läuft sein Imperium weiter.

Im Laufe seines Schaffens hat das «Enfant terrible» der Mode es geschafft, zu einem der einflussreichsten Modedesigner unserer Zeit zu werden. Sein Werk inspiriert Modebegeisterte aus aller Welt. Folgend ein paar Highlights aus seiner langen Karriere.

Jean Paul Gaultier Parfüms

1993 brachte der Designer das Parfum Jean Paul Gaultier Classique für Damen heraus, worauf Jean Paul Gaultier Le Male, einen Herrenduft, folgte. Beide Parfüms sind inzwischen Klassiker und in jeder gut sortierten Parfümerie zu finden. Die beiden kultigen Flakons der Düfte sind dem Geschlecht entsprechend einem Torso nachempfunden und werden in Metalldosen verkauft, was sie von anderen Parfüms abhebt. Die Düfte sollen verführerisch und stark wirken. Im Laufe der Jahre folgten noch weitere Parfüms.

«Naked dress» – eine Illusion auf dem Catwalk

Gaultier hat das Publikum seiner Shows gerne aus der Fassung oder zum Staunen gebracht, so auch mit diesem paillettenbesetzten Kleid, welches wie der nackte Körper einer Frau anmutet. Auch weitere Outfits seiner Show für die Frühjahr/Sommer-1993-Kollektion kreierten diese Illusion: Transparente Materialien, die wie eine zweite Haut sitzen, und Kleidungsstücke mit Tattoos zählen zu typischen Designs von Gaultier, die inzwischen Kultstatus erreicht haben und gerade ein Comeback feiern.

Seine erste Haute-Couture-Show

Ein atemberaubender Look aus seiner ersten Haute-Couture-Show in Paris «Salon Atmosphere» für die Frühjahr/Sommer-1997-Kollektion: Die Ärmel dieses Kleides wirken durch den aufwendigen, bunten Federbesatz wie Flügel. Auch in anderen Kollektionen arbeitete der Stardesigner häufig mit Federn, die seinen Outfits eine gewisse Dramatik verliehen.

Korsetts als sichtbares Element von Outfits

Als kleiner Junge war er von den nudefarbenen Korsetts seiner Grossmutter fasziniert, was sein kreatives Schaffen als Couturier für immer beeinflussen sollte. Kein anderer Designer ist so berühmt für die Schnürmieder wie Gaultier: Er kreierte sie in unterschiedlichster Form und machte die Unterwäsche zu einem sichtbaren Teil des Outfits. Nicht nur Frauen, auch Männer schickte er auf seinen Shows gerne im Korsett über den Laufsteg.

Der Klassiker: Matrosen-Shirts

Models – egal, welchen Geschlechts – steckte der Designer im Laufe seiner Karriere, vom klassischen Shirt bis hin zum Abendkleid, in die verschiedensten gestreiften Outfits. Er selbst zeigt sich auch häufig in seinen klassische Matrosen-Shirts. Der zeitlose Look, den wohl jeder Modefan mit dem Namen Gaultier in Verbindung bringt, wirkt elegant als auch casual und lässt sich wunderbar kombinieren.

Madonna im Korsett mit konisch geformten Brüsten

Ein Look, der in die Geschichte eingegangen ist: Madonna (63) im Korsett mit konischen Brüsten, welches sie Anfang der 90er-Jahre auf ihrer Welttournee trug. Das Outfit wurde als extrem sexy und provokativ angesehen, dabei sollte es laut Gaultier vor allem stark wirken, ähnlich wie eine Rüstung.

Schrille Kostüme für «Das fünfte Element» (1997)

Die auffälligen Kostüme für den Science-Fiction-Film «Das fünfte Element» von Luc Besson (63) stammen von Gaultier und tragen stark zum Charme dieses kunterbunten Blockbusters bei. Bruce Willis (67) und Milla Jovovich (46) sind die beiden Hauptdarsteller des Kultfilms. Auch für viele andere Filmprojekte und Shows designte Gaultier die Kostüme.

Wiederkehrende Stilelemente aus der Religion

In vielen von Gaultiers Kollektionen tauchen Stilelemente aus der Religion auf. So auch bei seiner Modenschau für die Frühjahrs- und Sommerkollektion im Jahr 2007, «Virgins (or Madonnas)», bei der es einige Anspielungen auf die katholische Kirche gab und alle Models Abwandlungen von Heiligenscheinen trugen.

Röcke für Männer

Diese Bild ist nur eines von vielen Beispielen, wie Gaultier den Rock in der Männermode populärer gemacht hat. So bricht er durch seine visionären Entwürfe seit Anbeginn seiner Karriere Tabus und sorgt für mehr Diversität in der Modewelt. Der Couturier trägt selbst auch gerne Röcke.

Seine letzte grosse Show

So graziös schritt Schauspielerin und Künstlerin Rossy de Palma (57), die eine von Gaultiers liebsten Musen ist, auf seiner letzten Show 2020 im Pariser Théâtre du Châtelet über den Laufsteg. Die Looks, die seine Karriere zelebrierten, wurden wie so oft von den unterschiedlichsten Models präsentiert, darunter Freunde des Designers. Auch Livemusik und Tanzeinlagen gab es zu seinem 50. Jubiläum und gleichzeitig seiner letzten Modenschau, an deren Ende Gaultier sichtlich gerührt von allen Mitwirkenden und dem Publikum gefeiert wurde.

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