Ja, und jeder Umzug fällt mir extrem schwer, weil ich jedes Mal ein, zwei Jahre brauche, um mich an einem Ort wohl und wie mich selbst zu fühlen. New York war besonders herausfordernd – ich bin hypersensibel, und eine Stadt wie diese ist für mich sehr anspruchsvoll. Die ersten zwei Jahre waren für mich die Hölle. Mit der Zeit begann ich aber, New York zu mögen – und irgendwann zu lieben. Auch Los Angeles hätte ich nie auf die gleiche Weise kennengelernt, wenn ich nur zu Besuch gekommen wäre. Diese Städte haben mich alle auf ihre Art geformt. Und zum Glück werden die schwierigen Etappen mit dem Alter kürzer und weniger intensiv.
Was gefällt Ihnen heute am Leben in Paris?
Paris ist für mich einfach praktisch. Es bietet mir all das, was ich momentanbrauche, was in erster Linie Frieden ist. Ich lebe in einer friedlichen Nachbarschaft, die sehr zentral ist, aber ohne Touristen oder Lärm. Ich finde gute Lebensmittel zum Kochen und Inhalt, wenn ich ihn brauche – Design, Musik, Mode. Ich kann jederzeit in diese Welt eintauchen, aber auch wochenlang zu Hause bleiben, und es ist vollkommen in Ordnung. Niemand stört mich. Und ich bin nahe bei Belgrad, was für mich der inspirierendste Ort überhaupt ist. Politisch ist es in Frankreich sicher nicht die beste Zeit – aber wo ist es das schon? Es gibt gute Schulen und ein funktionierendes Gesundheitswesen. Ganz ehrlich: In Sachen Lebensqualität ist es überall besser als in Amerika.
Ihre Wohnung ist auch Ihr Atelier. Was muss ein Raum erfüllen, damit Sie darin leben und arbeiten wollen?
Ich bin sehr wählerisch. Selbst meine erste Wohnung in New York, die die Grösse eines Schuhkartons hatte, musste gewisse Proportionen und Details vorweisen. In erster Linie muss ich mich in einen Raum verlieben. Ich bin mit meinem Zuhause sehr verbunden, weil sich mein Leben tendenziell nach innen richtet. Ich gehe da wohl weniger Kompromisse ein als eine Person, deren Leben vor allem draussen stattfindet.
Ist diese volle Hingabe eher eine Notwendigkeit für Ihre Kreativität oder ein Persönlichkeitszug?
Die Arbeit und das Leben waren für mich nie getrennt. Ich liebe, was ich tue, und so vielseitig, wie ich arbeite, fühlt es sich die meiste Zeit nicht wie Arbeit an, sondern eher, als würde ich einfach mein Leben leben. Alle Tools an einem Ort zu haben, ist da von Vorteil. Aber natürlich gibt es auch Nachteile – ich finde manchmal kein Ende oder habe kein separates Privatleben, wonach ich mich in letzter Zeit immer mehr sehne. Gerade seitdem ich meine eigene Marke lanciert habe.
Als Designerin, Fotografin und Creative Director haben Sie jahrelang mit Brands und Publikationen aus der ganzen Welt gearbeitet. Kürzlich haben Sie nun Teget lanciert, Ihre eigene Marke, die Sie als «brand of objects» erklären. Inwiefern wurde dieser Schritt für Sie unumgänglich?
Ich bin wohl einfach älter geworden. Ich arbeite nun seit fünfzehn, zwanzig Jahren in der Mode- und Designindustrie, und seit geraumer Zeit fragen mich die Leute, worauf ich noch warte. Für mich war es aber immer schwierig, mir vorzustellen, wie eine eigene Marke aussähe – mich auf ein Produkt festzulegen, hätte mir nicht entsprochen. Weil ich Fotografin und Kreativdirektorin bin und für Brands arbeite, Möbel, Mode und Objekte entwerfe, hat es sich lang so angefühlt, als wäre alles rund um die Marke vorhanden ausser das Produkt selbst. Ich überlegte ewig, welche Form infrage käme, wo der Platz für meine Marke ist. Warum jetzt? Ehrlich gesagt, weiss ich gar nicht mehr so genau, wie es passiert ist. Ein grosser Teil davon wurde von meinem Geschäftspartner initiiert, der auch mein Lebensgefährte ist. Ruben hat eigentlich nichts mit Design oder der Kunstwelt zu tun. Er hat einen juristischen Hintergrund und interessiert sich für Recht, Politik, Wirtschaft. Aber hat erkannt, dass es mir grosse Freude bereiten würde, einen Raum zu haben, in dem ich mich ohne Kompromisse ausdrücken kann. Für ihn war es wiederum ein spannendes Businessprojekt, da es relativ eigen ist in der Struktur und so eine freie Herangehensweise erlaubt.
Teget umfasst Heimtextilien, Tische und Lampen, aber auch 3D-gewobene Hosen. Warum genau diese Produktpalette?
In erster Linie wollte ich Vielfalt kreieren, damit ich nicht strikt eingeordnet werden kann. Dass ich mit Papierlampen starten würde, wusste ich schon immer. Papier ist mein allerliebstes Material. Auch die Kollaboration mit Unspun, einem Start-up aus Kalifornien, das 3D-gewobene Kleider macht, war sehr spannend. Und Heimtextilien faszinieren mich, weil sie das Gefühl eines Raumes sofort verändern können, ein bisschen so, wie es Kleider tun. Ein Sofaüberwurf spart Zeit und das Geld, ein Mö- bel zu ersetzen. Dieses Styling eines Raums, das ist die Essenz von Teget. Die erste Kollektion bietet also Produkte an, die solche kleinen Veränderungen einfach machen.
Sie sind mit Ihrer Familie in Belgrad in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und waren sehr jung, als der Krieg begann. Ihr heutiges Leben könnte nicht weiter weg davon sein.
Ich wusste damals nicht einmal, dass Design überhaupt ein Beruf ist. Ich komme keineswegs aus einer Künstlerfamilie. Meine Eltern führten einen kleinen Copy-Shop. Beide waren auf ihre Art kreativ, und mein Vater war ein sehr talentierter Ingenieur, bloss konnten sie dies nie ausleben. Wir wohnten zu viert erst auf zwanzig, dann auf vierzig Quadratmetern und hatten nicht mal ein Wohnzimmer. Retrospektiv betrachtet, hat mich dieses kleine Appartement visuell stark beeinflusst.
Wie kamen Sie zum ersten Mal mit kreativem Schaffen in Berührung?
Bei meinem Patenonkel, einem tollen Künstler, Grafikdesigner und Professor an der Universität in Belgrad. Er lebte dieses freie Leben und hatte sein Studio und sein Daheim unter einem Dach, was ich als Kind gar nicht begriff. Für mich war sein Zuhause viel eher dieses magische Wunderland, wo er in meinen Augen wie ein Alien lebte. Ich liebte es, seine Kunst und seine Sicht auf die Welt zu entdecken. Aber ich hätte mir nie vorstellen können, dass mein Leben eines Tages ähnlich ausschauen würde.
Wie fanden Sie den Weg zum Design?
Als Kind zeichnete ich pausenlos. Es ist heute noch das Medium, das mir am leichtesten fällt. Und ich war gut in Mathematik, hatte aber keine Ahnung, was das im echten Leben bedeuten würde. Welchen Job würde ich damit machen? Ich dachte, ich würde Grafikdesign oder Malerei studieren, entdeckte dann aber den Studiengang für Möbeldesign und Innenarchitektur, was aufregend und cool klang. Die Aufnahmeprüfung dauerte sechs oder sieben Tage, ich war technisch überhaupt nicht vorbereitet. Als ich die Zusage bekam, konnte ich es gar nicht glauben. Wow, das ist jetzt fast zwanzig Jahre her.
Sie nahmen später an einem Nachwuchswettbewerb teil, dessen Gewinner am Salone Satellite der Mailänder Möbelmesse ausstellen durften. Fünf von sechs ausgewählten Arbeiten waren von Ihnen.
Ja, das war verrückt. Vor der Zeit der sozialen Medien war es als junge Designerin praktisch unmöglich, meine Arbeiten irgendwem zu zeigen ausser Lehrern und Freunden. Und natürlich erlaubte es der finanzielle Standard in Serbien nicht, zu reisen oder irgendwo auszustellen. Ich nahm an einem Wettbewerb teil, in dessen Jury damals auch Konstantin Grcic sass, und tatsächlich wurden mehrere meiner Zeichnungen und 3D-Modelle für eine Ausstellung am Salone Satellite ausgewählt. Ich hatte zwei Monate, um alle Arbeiten umzusetzen, ohne einen blassen Schimmer zu haben, wie ich sie anfertigen würde. Aber wenn man muss, gehts ja immer irgendwie.
Eine der auserwählten Werke war die Bonbon-Lampe, die Sie später mit der dänischen Designfirma Hay produziert haben. Es ist bis heute das beliebteste Objekt, das Sie je gestaltet haben.
Es war total absurd, am Salone praktisch eine Einzelausstellung zu haben und so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich war zuvor noch nie an einer Messe gewesen, geschweige denn wusste ich, was mich da erwarten würde. Hunderte von Läden wollten meine Bonbon-Lampe bestellen, und ich dachte mir nur: Unmöglich! Ich brauchte schliesslich zwei Tage, um ein einziges Exemplar zu produzieren. Ich lehnte alle Anfragen ab und war total überfordert. Aber ich realisierte, dass dieser Beruf einen Platz hat in der Welt. Und irgendwie wurde ich Teil davon, ohne dass ich ein Produkt zum Verkauf hatte.
Wie entstehen Ihre Ideen, wo finden Sie Impulse?
Ich gehe ganz nach meinem Geschmack und meinen Bedürfnissen. Ausserdem steht Komfort für mich über allem. Meine Kissen sind beispielsweise so gross und bequem wie Schlafkissen. Möbel dürfen nicht schwer sein; ich muss sie selbst verschieben können. Rein visuell gefallen mir gewisse Materialien besser als andere, aber grundsätzlich mag ich sie alle. Je nach Kontext kann ich mich für vieles begeistern. Mein Geschmack ist unglaublich vielseitig, manchmal gar widersprüchlich.
Was muss ein Gegenstand haben, damit Sie ihn mögen?
Es geht um die Empfindung, ums Gefühl. Wie bei der Kunst. Du siehst ein Werk und entdeckst irgendetwas daran, was du magst oder interessant findest. Vielleicht ist es die Kombination der Materialien, vielleicht ein bestimmtes Detail. Oder die Verknüpfung mit der Erinnerung an etwas Schönes.
Sie entwerfen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Zweifeln Sie auch mal an einer Idee?
Nein. Das hat aber nicht mit Selbstbewusstsein zu tun, sondern vielmehr mit einer Form von Ehrlichkeit. Als Designerin drücke ich mich selbst aus. Ich entwerfe wie ein Kind, das spielt, testet, versucht ... Es fühlt sich natürlich und intuitiv an. Genau deshalb ist es für mich aber auch logisch, dass meine Arbeit nicht jeder- manns Sache sein kann. Geschmack ist etwas Persönliches. Zum Glück! Ich würde keine Welt sehen wollen, die nur aus einem Stil besteht – selbst wenn es genau meiner wäre. Ich finde das langweilig. Konzentriert man sich nicht so stark auf die Reaktion der anderen, zweifelt man viel weniger. Ich wollte nie ein Meisterwerk erschaffen, etwas Kultiges, Grossartiges. Es soll eine neue Idee sein, eine Erkundung und vor allem Spass. Diese Herangehensweise nimmt den Druck weg. Ich glaube, es zweifelt nur derjenige, der grossartig sein will. Will man nicht grossartig sein, so gibt es auch nicht viel zu zweifeln.
Bringt der Erfolg nicht auch eine gewisse Erwartungshaltung mit sich?
Nein. Ich empfinde mich nicht als bekannt. Es mag vielleicht einige geben, die meine Arbeit verfolgen, aber ich staune immer noch, wenn ich meine Lampe bei jemandem zu Hause sehe. Ich mache dann ein Foto davon, weil ich es gar nicht glauben kann. Wie man seine Arbeit angeht, hat für mich etwas mit der eigenen Persönlichkeit zu tun.
Sie sagten einmal, dass Überfluss kein gutes Umfeld für Entwicklung sei.
Ja, davon bin ich überzeugt. Ich glaube, Überfluss aller Art tut den Menschen nicht gut – sei es in Form von Freizeit, Geld oder Möglichkeiten. Aber natürlich ist das nur mein Blickwinkel – ich kenne es ja nicht anders. All die Restriktionen und die Voraussetzungen, die in meiner Heimat herrschen, haben aber definitiv dazu geführt, dass ich die Dinge heute mehr schätze und viel weniger brauche, um zu arbeiten – um irgendetwas zu tun. Ich erwarte nicht viel, weder von Dingen noch vom Leben. Darin liegt für mich Freiheit.
Apropos Überfluss: Parallel zum Verlauf Ihrer Karriere haben sich auch die sozialen Medien stark entwickelt. Sie sind darauf recht aktiv, zeigen auf Instagram fast täglich Eindrücke aus Ihrem Leben. Was gefällt Ihnen daran?
Ich fing mit Instagram vor vielen, vielen Jahren an. Weil ich nicht wollte, dass die Leute mich finden, nannte ich meinen Account Teget. Ich lebte damals in Amerika und wollte eigentlich nur meiner Mutter und meinen Freunden in Belgrad zeigen, was ich die ganze Zeit so tue. Das Teilen dieser Bilder war für mich als Dokumentarfotografin absolut intuitiv. Und ich bekam wiederum Einblick in das Leben von Fremden. Es war fantastisch, Leuten zu folgen, die in Ländern lebten, in denen ich noch nie war, und zu sehen, wie sie ihren Teller fotografierten! Ich liebe diese uninszenierte, ehrliche, persönliche Fotografie. Es fühlte sich an, als hätte ich ein Magazin in meiner Hosentasche, wobei ich selbst entscheide, wer mein Journalist, mein Fenster in die Welt ist. Natürlich ist heute alles anders. Ich poste oft, weil ich so viele schöne Dinge sehe, die ich mit der Welt teilen will. Aber ich schaue mir kaum noch Content von anderen an.
Beeinflusst die Übersättigung von Bildern – auch ständig die Arbeit von Berufskollegen zu sehen – den eigenen Schaffensprozess?
Ich glaube, das Medium schadet der Kreativität. Wäre ich mit Instagram aufgewachsen, hätte sich das schlecht auf mich ausgewirkt. Als ich jung war, konnte ich mich frei ausdrücken. Nichts wurde geschaffen, damit es gesehen und beurteilt wird. Da war so wenig Information, und jeder kreierte für sich selbst. Heute ist das praktisch unmöglich, und es bricht mir das Herz.
Welcher Ort oder welche Umgebung entfacht Ihr kreatives Feuer?
Die Realität in Belgrad ist für mich unglaublich wertvoll. Natürlich hat der Ort meinem Weg nicht nur geholfen und die Dinge in vieler Hinsicht schwieriger gemacht. Aber ich bin so dankbar, dass es ein ganz anderes Umfeld ist. Die Beziehungen dort sind ehrlich und authentisch, die schwierigen Zeiten haben die Menschen in einer schönen und berührenden Art geformt. In Belgrad geht es immer um den Moment, in dem man ist, nicht um die eigenen Interessen. In der westlichen Welt ist das anders. (Überlegt.) Belgrad erdet mich. Obwohl ich nicht glaube, geerdet werden zu müssen ... Ich lebe tagtäglich in dieser Realität. Aber es ist so erfrischend und schön, dahin zurückzukommen. Wenn ich jeweils aus New York heimkam, dachte ich mir stets: «Gott sei Dank, habe ich das hier.» Belgrad zeigt eine wahre Seite vom Leben, die auch visuell sehr anregend ist. Es ist wunderschön, aber in einer merkwürdigen, schiefen und romantischen Art und Weise. Doch es ist meine liebste Art von Schönheit. Heutzutage ist so viel zum Klischee geworden. Belgrad ist keines. Das finde ich sehr inspirierend.