Wie misst man Glück? Per Fragebogen, befand König Jigme Singye Wangchuck im Jahr 2006 – und machte es zur Staatsmission, die Zufriedenheit der Gesellschaft fortan alljährlich aufs Neue offiziell zu erheben. «Gross National Happiness Index» heisst das Resultat – und es ist nur eine der vielen Besonderheiten, die Bhutan zu einem der faszinierendsten Länder unseres Planeten machen.
Faszinierend – und im Kern doch weithin unbekannt. Ein Land, das jeder besuchen will, aber kaum einer auf der Weltkarte einzeichnen kann. Vielleicht mit Grund. Denn so alt ihre Geschichte, so jung die Nation in der Form, wie wir sie heute kennen. Es war der in Tibet geborene religiöse Würdenträger Shabdrung Ngawang Namgyel – «The Bearded Lama» –, der die bis dahin unabhängigen Fürstentümer des Landes 1616 zu einem theokratischen Reich vereinte: Bhutan – oder Druk Yul, Land der Drachen. Nach den ersten Dekaden von Frieden und Beständigkeit fand sich Bhutan ab dem frühen 18. Jahrhundert in immer neuen blutigen Konflikten entlang seiner Grenzen, wurde von Tibet angegriffen, von Britisch-Indien besetzt. Erst 1964 übernahm der damalige König Jigme Dorje Wangchuck die gesamte Staatsgewalt, und weitere sieben Jahre später, nämlich 1971, erlangte das Land die völkerrechtliche Anerkennung der Eigenstaatlichkeit. Als Wangchucks Sohn drei Jahre später zum vierten Druk Gyalpo, dem vierten Drachenkönig, gekrönt wurde, war noch nicht absehbar, wie sehr seine Bescheidenheit die Zukunft des Landes prägen würde. Im August 1998 überraschte er nicht nur seine Nation, sondern die ganze Welt, als er gegen den Willen der Regierung seine eigene Macht beschränkte und die bhutanische Krone der Autorität des Parlaments unterstellte. Fortan verschrieb er seine Zeit auf dem Thron dem Bestreben, Bhutan von einer absoluten in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln – ein Unterfangen, das sein Sohn und Thronfolger Jigme Khesar Namgyel Wangchuck 2008 mit der ersten freien Parlamentswahl zum Abschluss brachte. Jigme Singye Wangchuck war ein König, dem das Wohl des Volkes stets wichtiger war als sein eigenes. Und das erste Staatsoberhaupt der Geschichte, das dessen Zufriedenheit offiziell mehr Wert zumass als dem wirtschaftlichen Wachstum. Bhutan, das versteckte Königreich der Glückseligkeit.