Der Spassfaktor sollte auch in den folgenden Tagen hoch bleiben. Wo Vorankommen eine Leistung ist, lohnt es sich schliesslich, den Weg zum Erlebnis zu machen. So verbringen wir unsere Zeit damit, uns auf verschiedenste Arten und begleitet von Adrenalinschüben und Lachanfällen durch das endlose Weiss zu bewegen. Zur Wahl stehen diverse stark motorisierte Gefährte, unterschiedliche sportliche Untersätze sowie eine Auswahl an flauschigen Zugtieren.
Während wir während der ersten Tage die offene Fläche des Inarisees zu Fuss und mit PS-starken Schneemobilen erkunden, verlangt der waldige Urho-Kekkonen-Nationalpark östlich des Langlaufmekkas Saariselkä – die zweite Station unserer Reise – nach anderen Mitteln der Fortbewegung. Statt am Ufer eines Sees steht unser Hotel hier umringt von Bäumen mitten im Wald. Und direkt am 150 Kilometer langen Loipennetz, das die Gegend passionierten Wintersportlern zum Begriff macht. Die ganz motivierten Läufer beobachten wir noch mit halb geschlossenen Augen und vor Sonnenaufgang vom Frühstückstisch aus. Wir mischen uns unter sie. So oft, bis die Beine so müde sind, dass uns zur Fortbewegung nur noch die Fahrt im Husky-Schlitten bleibt. «Last but not least», denke ich. Ein Kindheitstraum wird wahr. Und das Einzige, was mehr leuchtet als meine Augen, ist die von der Eiseskälte gerötete Nasenspitze.
Von der Kälte, oder – wir wollen ehrlich sein – vom Alkohol. Immerhin ist Finnland das Land der grossen Trinker, und man soll sich lokalen Gepflogenheiten anpassen, heisst es. Wir geben uns alle Mühe.
Denn sie sind ein eigenes Volk, die Finnen. Freundlich, aber distanziert, humorvoll, aber oft mit Witzen, die nicht immer als solche erkennbar sind. «Ein introvertierter Finne schaut auf seine Schuhe, während er mit dir spricht, ein extrovertierter schaut auf deine Schuhe» behauptet ein Sprichwort. Ganz falsch scheint uns das nicht, besonders nicht hier, wo unvorhergesehene zwischenmenschliche Interaktionen so selten sein dürften wie Stau durch Verkehrsüberlastung. Mit dem Leben im Extremen, so scheint es uns, kommt eine gewisse Abgeklärtheit. Hier oben ist vieles schlicht, wie es ist, darf so bleiben, gehört sich so akzeptiert. Was unsereins so faszinierend andersartig empfindet, ist für die Einheimischen Alltag. Einer, der sich am Ende gar nicht so stark unterscheidet von unserem. Und so essen wir an Tag drei draussen auf dem Parkplatz eines Supermarkts bei fünfzehn Grad unter null ein Glace. Weil, so beobachten wir, man das anscheinend so macht hier in Inari, selbst in der klirrenden Kälte des tiefsten Winters. «Do as the locals do.» Wir tun cool und denken an heissen Tee. Wärme komme von innen, sagt man.
Und manchmal, so lernen wir, tut sie das tatsächlich. Denn wir sind ja eigentlich für die Nordlichter gekommen, für das magische Phänomen am Nachthimmel nahe der Pole – genau wie schon so viele vor uns. Und viele waren es, deren Hoffnungen enttäuscht wurden – genau wie unsere, als uns der Nordlichteralarm an unserem ersten Abend kurz vor Mitternacht aus dem Frieden reisst. Was immer da zu sehen sein sollte, wir sahen es nicht. Die erste grosse Enttäuschung. Weitere folgten. Die Angst stieg, die Zeit lief aus. Natur lässt sich nicht kontrollieren.
Doch manchmal, da spielt sie mit. Auf ereignislose erste Nächte folgte ein Sonnennebelsturm, wie ihn die Region nur selten erlebt. Ein Spektakel, ein Erlebnis. Und pure Magie. Denn auch wenn das menschliche Auge sie tatsächlich nie in der Intensität wahrnehmen kann, wie das Kameradisplay sie zeigt – das leuchtende Grün, das strahlende Gelb –, so verschlägt es mir beim Anblick der über mir am Himmel tanzenden Lichter trotzdem die Sprache. Wir stehen oft und lange draussen in diesen letzten Nächten, warten und suchen, schauen und staunen. Zugefrorene Nasenlöcher hin oder her.
Es ist ein spezielles Fleckchen Welt hier oben, fernab von allem, eines, das Eindruck macht und Spuren hinterlässt. «Denn es sind die endlosen Weiten der Natur, die uns vielleicht am schönsten, am respektvollsten an all das erinnern, was über uns hinausgeht», schreibt Alain de Botton in «Die Kunst des Reisens». Wie recht er hat.
Finnair fliegt während der Wintermonate fast täglich von Zürich und Genf via Helsinki nach Ivalo. finnair.com
Wer warme Kleidung besitzt, tut gut daran, möglichst viel davon einzupacken. Für sämtliche über die Hotels gebuchte Outdoor-aktivitäten werden jedoch Anzüge, Schuhe und Handschuhe zur Verfügung gestellt.
Das direkt am Inarisee gelegene Hotel ist modern und doch gemütlich eingerichtet, serviert feines Essen und berät kompetent und mit Freude über die Dos and Don’ts der Region. Bungalow ab Fr. 151.–.
Das Wilderness-Hotel bei Kakslauttanen liegt nicht nur wunderschön abgelegen und umringt von Wald, sondern auch direkt an der Langlaufloipe. Der ideale Ausgangspunkt, um die Gegend zu erkunden – und sich da-nach gemütlich aufzuwärmen.
Im einzigen preisgekrönten Gourmetrestaurant der Gegend werden lokale Zutaten wie Rentier und Moltebeeren zu köstlichen Gerichten verarbeitet.
Als Urbevölkerung Lapplands haben die Samen Bräuche und Kultur massgeblich geprägt. Im Museum Siida in Inari lernt man Wichtiges über ihre Geschichte, ihren Lebensstil und ihre Traditionen.
Die Magie von Lappland liegt in seiner Natur. Ob zu Fuss, mit Schneeschuhen, Schneemobil, Langlaufskis, Rentier- oder Huskyschlitten, sie will erkundet werden, jeden Tag und jede Nacht aufs Neue. Viele Anbieter habe für alle Vorlieben und Fitnesslevels etwas im Angebot. Einziger Wermutstropfen: Für unvergessliche Erlebnisse muss man hier mitunter tief in die Taschen greifen.