Ich glaube, dass die jungen Künstler von heute ihren Platz in der Welt einfach auf eine andere Art und Weise finden müssen. Das Bild von einer Künstlerkarriere, das es früher gab, ist heute nicht mehr so relevant. Die Welt, wie wir sie zusammen aufgebaut haben, steht im ständigen Wandel. Was auch gut ist, denn wir können jetzt gemeinsam eine bessere Welt aufbauen. Wir Kreativschaffende spielen in diesem Diskurs eine grosse Rolle: Wir nehmen Einfluss, sind keine Propheten, aber projizieren Bilder in die Welt, mit welchen wir eine gewisse Realität zu schaffen vermögen.
Eine verantwortungsvolle Rolle. Kann das nicht auch eine grosse Last werden?
Doch, auf jeden Fall. Mir war dieser Gedanke anfangs unangenehm, was auch eine Blockade bei mir auslöste. Durch die Bilder, die ich erhalte und in die Welt schicke, verändere ich zwar nichts direkt, aber ich nehme Einfluss auf die Gefühle des Betrachters und wie dieser jeweils damit umgeht.
Das klingt sehr tiefgründig. Verarbeiten Sie diese Gedanken also in Ihren Bildern?
Ich bekomme die Bilder instinktiv. Nicht immer sind sie positiv, ich mag sie nicht immer, aber sie lassen mich nicht los. Oftmals verstehe ich erst im Nachhinein, warum ich sie interessant fand. Es steckt immer auch die Idee der Mutation hinter meinen Bildern. Schliesslich verbirgt sich dahinter immer etwas, das erschaffen, aber gleichzeitig zerstört wird. Es ist die Idee von Bewegung auf einer sehr tiefen, zellularen Ebene. Quasi ein Symbol für eine Welt, die sich stets verändert.
Und woher schöpfen Sie Ihre Inspiration beim Malen?
Aus dem Alltagsleben und der Natur. Wenn wir aber nicht gerade in einer Krise stecken, dann arbeite ich hauptsächlich performativ. Meine Bilder entstehen dann in A4-Form auf einem Hellraumprojektor, der die Farben auf den gesamten Raum projiziert. Kunst wird so zum Erlebnis und meine Werke entstehen live vor einem Publikum. Das habe ich auch im Tate Modern in London im Rahmen von «Living in a Painting» so gemacht. Dann nutze ich die Energie des Raums und der Besucher. Plötzlich war diese kollektive Energie aber verschwunden und ich musste alleine in meinem Studio malen; die Energie von woanders herholen. Erst dann merkte ich, wie schnell sich der Mensch an neue Situationen anpassen kann. Ich zum Glück auch (lacht).
Ihre Bilder sind bunt und leuchtend. Was bedeuten Ihnen Farben?
Mich hat schon immer dieses Kaputte angezogen – Haut, Verletzungen, zellulare Zerstörung, schmutziges Wasser. Ein bisschen eine Zeichnung von der Realität. Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass solche Motive schnell deprimierend werden können. Wie kann ich also Bilder machen, die immer noch genau das ansprechen, aber auf eine positivere Art und Weise? Dann kamen Farben und Volumen ins Spiel. Meine sehr bunten, abstrakten Motive bieten dem Betrachter Raum für Interpretation und Kreativität. Hier in der Passage mag ich die Idee davon, dass sich meine Bilder in separaten Rahmen befinden, so wie wir Menschen es ja auch tun. Jeder von uns hat seinen eigenen Raum – seinen Körper –, der immer gegenüber von einem andern steht. Und trotzdem gibt es da eine tiefe Verbundenheit. Die Malereien könnten auch alle einem Bild entsprungen sein, das immer weiter mutiert.
Kommen Sie eigentlich aus einer Künstlerfamilie – oder woher stammt Ihre Begeisterung für die Kunst?
Nicht wirklich (lacht). Mein Vater ist gelernter Fliesenleger. Meine Mutter hat Interior Design studiert und war später unter anderem als Modedesignerin oder Visual Facilitator tätig. Sie hat mir also schon quasi die Tür zur Kreativität aufgehalten. Früher hatte ich aber wirklich null Ahnung von Gegenwartskunst.
Ihre Mutter ist also ein wichtiger Bestandteil Ihres Lebens?
Meine Mutter Cornelia ist ein beeindruckender Mensch. Sie hatte es nicht immer einfach und musste sich ständig weiterentwickeln, was ich sehr bewundere. Über die Jahre hinweg hatte sie verschiedene Leben und Berufe. Sie steht schon immer hinter mir und unterstützt mich, wo sie kann, dafür bin ich sehr dankbar. Zusammen mit ihr und meiner Schwester Pernelle habe ich ausserdem noch eine Marke für Yoga-Bekleidung, Breath of Fire. Wir sind eine richtige Businessfamily – drei Frauen, ein starkes Team.
Für was sind Sie zurzeit sonst dankbar?
Für das Leben, für Essen und für Wasser. Dass ich einen warmen Ort zum Schlafen habe. Dass ich in einem Land lebe, wo ich als Frau Rechte habe. Ich bin dankbar für alle Chancen, die ich bekomme und auch nutze.
Zur Person
Maya Rochat (36) ist eine bildende Künstlerin, die in den Bereichen Fotografie, Malerei, Video, Performance und Installation tätig ist. Als experimentelle, aufstrebende Schweizer Künstlerin hat sie sich einen Namen gemacht. Die gebürtige Lausannerin stellte schon in der Schweiz selbst sowie international aus, unter anderem auch im Tate Modern in London. Ihre Werke wurden auch schon im Palais de Tokyo, dem Kunsthaus Langenthal, der Gessnerallee, dem Centre d’Art Contemporain Genève oder dem Fotomuseum Winterthur präsentiert.
Studiert hat Rochat an der Kunsthochschule Ecal in Lausanne. Ihre Anfänge machte sie in der Fotografie, was sie irgendwann «zu gerahmt» fand: «Ich wollte mehr Menschen direkt ansprechen, dann kam die Idee von der Rauminstallation und Performance», sagt die bildende Künstlerin.
Mehr Informationen zu Maya Rochat findest du hier.