Die Unterhaltungsindustrie redet heute jedem hübschen oder talentierten Teenager ein, er oder sie könne das nächste Topmodel, der nächste Superstar werden. Viele Eltern loben noch die missratenste Zeichnung und den erbärmlichsten Vortrag ihrer Sprösslinge als Meisterwerk. Bei der Diskussion von Texten von Studierenden ist mir aufgefallen, dass vor jeder Kritik ein Lob geäussert wird, auch wenn die Leistung noch so schlecht war. Das war ein toller Vortrag, aber … Die Folge ist eine Generation junger Menschen, die nicht mehr oder weniger begabt sind, als wir es waren, aber sehr viel selbstbewusster. Das muss nicht schlecht sein, nur führt es manchmal zur Selbstüberschätzung und dann zum Katzenjammer. Nur eine wird das nächste Topmodel, nur einer der Superstar, alle anderen gehen leer aus und fühlen sich als Versager, denn nur der Gewinner zählt. Dass nicht alle die Besten sein können, ist selbstverständlich, problematisch ist der Anspruch und die Enttäuschung der Verlierer.
Auch am Anspruch, den Klimawandel zu verhindern oder den Krieg in der Ukraine zu beenden, muss der Einzelne natürlich scheitern. Aber statt kleine Schritte zu machen, die einen auch ans Ziel bringen, verfallen viele in eine beleidigte Hoffnungslosigkeit. Wenn ich die Welt nicht retten kann, dann ist sie nicht zu retten, sagt der Pessimist in seinem Grössenwahn.
Als ich vor einiger Zeit an der grossen Klimademo teilnahm und es vor der UBS plötzlich hiess, alle sollten sich hinsetzen, um gegen die Grossbank zu protestieren, machte ich wohl oder übel mit. Aber ich hatte ein seltsames Gefühl dabei. Nicht nur, weil ich an der Wirksamkeit der Aktion zweifelte und sie mir etwas theatralisch vorkam. Auch weil ich dachte, wir sollten nicht Wege blockieren, wir sollten neue Wege gehen.
Die Klimajugend hat viel bewegt, und das ist ihr hoch anzurechnen. Aber ich denke, wir sind an einem Punkt, an dem Blockaden nicht mehr reichen. Wir sollten aufstehen, vorwärtsgehen, Dinge anpacken und verändern. Manche haben das schon getan und den Marsch durch die Institutionen angetreten, der länger dauert und kräftezehrender ist als jede Demonstration. Dabei müssen wir nicht die ganze Welt auf einen Schlag retten. Wir brauchen keine Superstars, nicht jede und jeder kann und muss eine Greta sein. Tausend Menschen, die einen Schritt machen, bringen die Gesellschaft weiter als ein einzelner, der tausend Schritte macht.