«Die Badezimmerfliesen waren meine erste Leinwand»

Collagenartig, ein bisschen Pop Art und vor allem bunt sind Jill Winnie Mosers (22) Bilder. Die junge Künstlerin stellt im Rahmen des Zurich Art Weekends im Haus der Kallistik aus.

Künstlerin: Jill Winnie Moser

Früh übt sich, wer eine Meisterin werden will. Das trifft bei ihr zu: Jill Winnie Moser (22) hat schon als junges Mädchen ihre Leidenschaft fürs Malen entdeckt. «Ich habe nicht gerne gebadet und das lange Sitzen fand ich langweilig. Darum kaufte mir meine Mutter zur Beschäftigung abwaschbare Wachsmalstifte», sagt Jill zu Bolero. Das Baden wurde plötzlich zur Nebensache, Jill freute sich auf einmal auf das vorher so verhasste Ritual. Die Fliesen im Badezimmer wurden zur ersten Leinwand des kreativen Kopfes. «Seither gehört die Malerei zu meinem Alltag – und auch das Baden mache ich mittlerweile gern», sagt die 22-Jährige und lacht.

Seit den kindlichen Badezimmer-Kritzeleien hat sich einiges verändert. Hinter den Bildern von Jill stecken tiefgründige Überlegungen. Die junge Künstlerin setzt sich in ihren Werken mit dem oberflächlichen Konsumwahn und dem ständigen Streben nach Selbstoptimierung auseinander. Themen, die sie beschäftigen und direkt betreffen. «Ich bin eine junge Frau, verbringe so einige Zeit im Internet und habe das Privileg, mehr oder weniger frei entscheiden zu können, wofür ich mein Geld ausgeben möchte», stellt Jill klar. Auch ausserhalb ihres künstlerischen Schaffens hinterfrage sie oft, inwiefern sie aus freiem Willen konsumiere. «Es ist nichts Neues, dass durch Unsicherheiten Geld verdient wird.» Social Media würde einen immer grösseren Druck auf ihre Generation ausüben. Für Jill stellt sich die Frage, ob das Ganze noch mit persönlicher Heilung und eigenwilligem Wachstum zu tun hat, oder wir uns schlichtweg gesellschaftlichen Leistungsimperativen unterwerfen.

Aus diesen Gedankengängen entstehen collagenartige, gemalte Zusammenfügungen aus popkulturellem Bildmaterial, wie Jill ihre Werke im Gespräch beschreibt. Zu bestaunen gibt es ihre Kunst im Rahmen des Zurich Art Weekends vom 17. bis 19. September 2021 im Haus der Kallistik. Ein Kunstkollektiv, das von Jonas Kastenhuber gegründet wurde und sich in der privaten, trendigen Wohnung des Gründers an der Zürcher Europaallee befindet.

«Während des Zürich Art Weekends klappern die verschiedensten Menschen umliegende Galerien und Off-Spaces ab. Ich bin unglaublich happy, dass ich während dieser Zeit meine zweite Soloshow eröffnen und endlich meine neuen Gemälde ausstellen darf», freut sich Jill über die Ausstellung im Haus der Kallistik. Sie fügt hinzu: «Es ist sehr wichtig, dass ein genügend grosses Angebot an Ausstellungsmöglichkeiten für Jungkünstler vorhanden ist. Darum bin ich jedem dankbar, der dazu beiträgt, so wie das Haus der Kallistik.»

Wenn Jill malt und neue Bilder kreiert, dann folgt die junge Künstlerin nicht immer einem linearen Prozess. «Es passiert öfters, dass ich ganze Bereiche mehrmals übermale. Ausserdem arbeite ich immer an mehreren Bildern gleichzeitig», beschreibt Moser ihr Schaffen. Für gewöhnlich sitzt die Winterthurerin aber zwischen zwei und drei Wochen an einem Werk.

Verwendet werden von Jill nur Ölfarben. Auch ihre Leinwände stellt die junge Kreative selbst her. «Mir ist es wichtig, bei der Schaffung eines Werkes von Beginn an Einfluss darauf zu haben.» Sie setzt auf rohe Leinen, die von Hand verleimt werden.

An Ideen mangelt es Jill, die schon an der Jungkunst in Winterthur hochgelobt wurde, nicht. Als Hauptquelle für ihre Inspiration nennt sie das Internet: «Der ganze künstliche Glanz auf den sozialen Netzwerken fasziniert mich, während er andere verständlicherweise abschreckt.» Das zufällige Zusammenfügen von gefundenem Material gehört zum Entstehungsprozess von Jills Bildern dazu.

Aufgewachsen ist die heute 22-Jährige in einem musikalischen Haushalt, wie sie sagt. Hip-Hop- und R'n'B-Musik war allgegenwärtig. «Rap-Lyrics und Eindrücke aus gesehenen Musik-Clips schwirren mir stets im Kopf herum. Viele meiner Bilder-Titel finden ihren Ursprung aus Songtexten meiner Ohrwürmer», erklärt Jill.

Was die Jungkünstlerin nervt, sind Rechtsradikale und eingetrockneten Pinsel. Dass sie sich in der Kunstszene aber schon in jungen Jahren einen Namen machen kann, darüber freut sie sich sehr: «Momentan bin ich sehr dankbar für die Möglichkeit, mir mein anfängliches Hobby zur Berufung machen zu dürfen.» Nebenbei arbeitet Jill, die an der Zürcher Hochschule der Künste einen Bachelor of Arts in Fine Arts gemacht hat, noch als Hostess in einem Restaurant.

An ihren bisherigen Entscheidungen ändern würde Jill nichts. Sie ist fest davon überzeugt, dass alles aus einem Grund passiert, und dass man aus Fehlern oder Tiefpunkten lernen kann. Während ihren wenigen Jahren als Kunstschaffende habe sie schnell gelernt, dass es wichtig ist, sein eigenes Bauchgefühl zu priorisieren. «Egal, ob es die eigene Familie, Lehrer oder Freunde sind, versucht immer selbst zu entscheiden, was für euch wichtig und richtig ist», möchte sie aufstrebenden Jungkünstlern mitgeben.

Stets an ihrer Seite sind Jills Freunde. «Auf die ist immer Verlass. Ich betrachte mich als gesegnet, ein so liebendes Umfeld haben zu dürfen», meint die Künstlerin.

JILL WINNIE – ZURICH ART WEEKEND – VON 17. BIS 19. SEPTEMBER 2021

Haus der Kallistik

Gustav-Gull-Platz 11

8004 Zürich

Mehr Infos zum Zurich Art Weekend findest du hier.

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