Mühelose Eleganz

Mit The Square hat Emmanuel de Bayser einen neuen Shoppingtempel im Berliner Osten eröffnet. Doch der Franzose kann noch mehr.

Blue-Chips as Wohnzimmer ist mit voluminösen Polstermöbeln von Jean Royère ausgestattet.

Interview

Wenn sich ein Pariser in Berlin niederlässt, dann sucht er entweder nach einem Kontrast zu seiner Heimatstadt, oder er erschafft Orte, in denen seine französische Lebensart zum Tragen kommt. Bei Emmanuel de Bayser ist es wohl Letzteres. Seine zwei Concept-Stores, von denen der eine gerade ein aufsehenerregendes Remake erfahren hat, vermitteln ein Flair von Internationalität und Luxus. In seinem Zuhause liebt es der Designsammler eher ruhig – und generiert trotzdem über 50 000 Follower auf dem privaten Instagram-Account.

Wir alle kannten The Corner. Nach achtzehn Jahren haben Sie ein Rebranding gemacht, Ihre beidenGeschäfte heissen nun The Square. Warum?

Es gibt viele Gründe. Square bedeutet auf Deutsch Platz oder auch Quadrat. Unser neuer Concept-Store liegt am Gendarmenmarkt, dem schönsten Platz der Stadt. Und zwei Ecken, zwei Corner, ergeben eben ein Quadrat. Ausserdem haben wir gerade unseren neuen Internetauftritt lanciert, auch hier macht der Name The Square mehr Sinn. Er ist spezieller und weniger verbreitet als Corner, ein Begriff, der in der Shoppingwelt ständig verwendet wird.

Ihr Laden in Ostberlin wurde letzten Dezember nach einem dreimonatigen Umbau neu eröffnet. Was zeichnet die 700 Quadratmeter aus?

Wir haben alles von Grund auf neu konzipiert: die verschiedenen Stockwerke, die Grundrisse, die Beleuchtung, die Materialien, die Präsentation der Waren und die Kundenführung. So sind Räume entstanden, in denen wir unser neues Sortiment optimal zeigen können. Wir verkaufen nach wie vor Mode, Accessoires und Beautyprodukte, aber eben auch Kunst, Möbel, Porzellan, Tischwäsche, Bücher.

Wie lässt sich Ihr Konzept in Worte fassen?

Wir nehmen eine 360-Grad-Perspektive ein. Unser Angebot zeigt, wie man heute mit Stil leben kann. Es schlägt den Bogen von der Mode bis zum Wohnen.

Warum haben Sie so lange mit der Erweiterung gewartet?

Wir mussten erst den richtigen Rahmen schaffen, um die Möbel so zu präsentieren, wie wir es uns wünschen. Es ist einfach, einen oder zwei Stühle zu zeigen. Doch wenn man vier verschiedene Sitzgruppen und Tische in einem Raum platzieren möchte, muss man sich Gedanken machen.

«Man darf nie meinen, man hätte das Patentrezept gefunden.»

– Emmanuel de Bayser, Designsammler und Inhaber von The Square

Sie haben mit dem französischen Innenarchitekten Pierre Augustin Rose zusammengearbeitet. Was gab den Ausschlag?

Wir beobachten einander schon seit vielen Jahren und schätzen das Universum des jeweils anderen. Für Pierre Augustin Rose war The Square das erste grosse Einrichtungsprojekt. Das hat die Zusammenarbeit besonders spannend gemacht. Wir waren von Anfang an auf einer Wellenlänge, haben das architektonische Konzept und das Visual Merchandising unter einen Hut gebracht. Alles hat perfekt geklappt, von der ersten Idee bis zur Umsetzung.

Das Interieur wirkt sehr elegant und einladend mit geschwungenen Formen, sanften Farben und weichen Stoffen. Der Kunde fühlt sich wie in einem grossen Wohnzimmer.

Genau das wollten wir erreichen. Weiche Linien, Frische und absoluter Komfort in einer gepflegten und anspruchsvollen Atmosphäre. Ein neues Einkaufserlebnis, das es so vorher nicht gab.

Die Welt verändert sich gerade rasant. Vor welchen Herausforderungen sehen Sie sich mit einem Concept-Store wie The Square?

Unsere Arbeit ist ein ständiger Prozess. Man darf sich nie ausruhen und meinen, man hätte das Patentrezept gefunden und könne für immer weitermachen. Man muss sich ständig anpassen und entwickeln, um relevant zu bleiben. Wichtig ist auch, dass man eine klare Vision hat.

Was halten Sie von Archive-Fashion und dem Trend hin zu Re-use?

Ich liebe beides. Genau unter diesem Gesichtspunkt ordern wir unser Sortiment. Wir wünschen uns, dass unsere Kundinnen und Kunden in Stücke investieren, die sie über Jahre hinweg tragen werden – und dann irgendwann weitergeben.

Was ist Ihnen in der Beziehung zu Kundinnen und Kunden noch wichtig?

Wir möchten in unseren Geschäften den besten Service bieten. Es macht Freude, in ein inspirierendes Umfeld zu kommen, aber noch besser ist es, wenn man sich dort sofort willkommen und gut betreut fühlt.

Verraten Sie uns Ihren persönlichen Lieblingslook für den kommenden Sommer?

Ich fand Kate Moss auf dem Laufsteg von Bottega Veneta toll: super high-end und dennoch absolut relaxt. Auch die sexy Kleider von Coperni begeistern mich, und natürlich die Männer- und Frauenkollektion von Loro Piana.

Ihr Stilgefühl kommt an: Sie haben über 50 000 Follower auf Ihrem privaten Instagram-Account, rund 20 000 mehr als The Square.

Dabei habe ich erst vor eineinhalb Jahren mit Instagram angefangen. Aber die Leute kennen mich heute tatsächlich mehr für meine Interieurs als für mein Geschäft. Das war auch der Grund, warum ich bei der Gestaltung von The Square eine ganz persönliche Note einbringen wollte: um eine Verbindung dieser beiden Pole zu schaffen.

Sie posten etwa zweimal pro Woche Bilder von Ihren Wohnungen in Berlin, Paris und Gstaad.

Ich poste eigene Fotos, die ich mit vorhandenem Bildmaterial von Publikationen meiner Wohnungen kombiniere. Bis jetzt ist es ein Hobby, aber ich bekomme so viele Anfragen, dass es zu mehr werden könnte.

In einem früheren Interview war zu lesen, dass Sie Ihre wertvolle Keramiksammlung selbst abstauben. Stimmt das?

Ja. Ich denke, das ist meine Art, mich mit den Objekten zu beschäftigen, die ich liebe. Ich arrangiere sie auch jedes Mal neu.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Designermöbelstück?

Oh, ja! Das war eine Sitzgruppe von Florence Knoll, die ich vor dreissig Jahren gekauft habe. Ich besitze sie noch immer. Die meisten meiner Stücke sind schon sehr lange bei mir.

Und welcher Designer hat es Ihnen aktuell besonders angetan?

Ich liebe Keramik von Georges Jouve – und antike archäologische Fragmente aus Rom und dem alten Griechenland.

Was muss ein Designobjekt denn haben, um Sie zu begeistern?

Mir geht es vor allem um die Form, die Proportionen, das Material und die Patina.

Kann sich Geschmack im Laufe der Jahre verändern?

Natürlich! Gott sei Dank ist das so. Man entwickelt sich weiter, wird weniger radikal, grosszügiger.

Unter welchen Gesichtspunkten kombinieren Sie Kunst und Design?

Ich mag es, wenn Kunst und Design in einen Dialog treten, so wie das die Menschen im richtigen Leben auch tun. Unterschiedliche Charaktere erzeugen eine Spannung, die zunächst beunruhigend sein kann, dann aber in Stärke umschlägt. Im Moment mag ich Ugo Rondinone und Miriam Cahn sehr – übrigens beide Schweizer Künstler.

Welche Erfahrungen haben Sie als Sammler gemacht? Welchen Rat würden Sie diesbezüglich einer Freundin geben?

Wenn du Kunst und Design sammeln willst, dann fange lieber mit weniger an als mit mehr. Probiere die Dinge aus. Wenn sie dir nach ein paar Tagen noch immer gefallen, dann sind sie in Ordnung.

Einige Ihrer Vintagemöbel von Jean Prouvé und Jean Royère sind in den letzten Jahren sehr teuer geworden und heute nur noch schwer zu finden. Was denken Sie über die momentane Preisentwicklung?

Seit Corona legen viele Menschen den Fokus verstärkt auf die Einrichtung ihrer Häuser und Wohnungen. Sie investieren in schöne Stücke, die sie nicht zuletzt in den sozialen Medien gesehen haben. Dies treibt die Marktpreise in die Höhe. Prouvé und Royère gehören zu den Blue-Chips des Designs, sie sind eine gute Wertanlage. Mit neuen Generationen von Sammlern und der gesteigerten Nachfrage aus dem Mittleren und Fernen Osten wird der Markt für diese Objekte sogar noch weiter wachsen.

Sprechen wir über Ihr eigenes Kaufverhalten: Brauchen Sie Zeit, um sich zu entscheiden, oder sind Sie ein spontaner Käufer?

Manchmal muss man schnell sein, sonst sind die guten Stücke weg! Aber normalerweise nehme ich mir gern mehr Zeit.

«Es gibt keine universelle Formel, nur eine persönliche.»

– Emmanuel de Bayser, Designsammler und Inhaber von The Square

Aber es gibt sie, die Liebe auf den ersten Blick?

Ja, bei einer grossen Bonbonne-Vase von Georges Jouve. Ich war so glücklich, als ich sie besass.

Kaufen Sie auch auf Auktionen?

Ich hasse Auktionen. Und bin für gewöhnlich auch kein erfolgreicher Bieter. Manche Menschen lieben das Adrenalin und den Kampf. Ich bevorzuge es, die Dinge ruhig anzugehen.

Was ist Ihr Geheimnis, wenn Sie einen Raum dekorieren?

Ich mag es, wenn Kunst und Design in einen Dialog treten, so wie das die Menschen im Man muss ein Auge entwickeln, eine ganz eigene Sprache finden. Dabei geht es viel um die Erfahrung und darum, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen, immer wieder neu anzufangen. Es gibt keine universelle Formel, nur eine persönliche.

Es scheint, als hätten Sie Ihre persönliche Formel gefunden. Wann werden Sie also Ihr eigenes Interior-Design-Studio eröffnen?

Wer weiss, vielleicht früher, als ich denke.

Sie sind in Paris geboren. Wurde Ihnen Ihr Gespür für Schönes in die Wiege gelegt?

So könnte man es sagen. Ich bin in einem sehr künstlerischen Umfeld aufgewachsen. Mein Grossvater mütterlicherseits war George Desvallières, ein berühmter Maler des Symbolismus. Mein Grossvater väterlicherseits gründete die Pariser Galerie de Bayser, die auf Zeichnungen alter Meister spezialisiert war. Ich selbst habe aber die Handelsschule besucht.

Was haben die Pariser, was andere schwer erreichen können?

Mühelose Eleganz.

Warum kamen Sie trotzdem nach Berlin?

Um Business zu machen. Daneben liebe ich die zeitlose, beruhigende Atmosphäre in meiner Berliner Wohnung. Der absolute Kontrast zur Welt der Mode.

Und Ihre Wohnung in Gstaad?

Das war ein Glückstreffer! Ich bin kurz vor dem Ausbruch von Covid-19 eingezogen und habe zwei Lockdowns hier verbracht. Es war fabelhaft. Ich habe sowohl den Winter als auch den Sommer in den Bergen lieben gelernt. Hier ist es so friedlich, so gesund und so positiv.

Das war ein Glückstreffer! Ich bin kurz vor dem Ausbruch von Covid-19 eingezogen und habe zwei Lockdowns hier verbracht. Es war fabelhaft. Ich habe sowohl den Winter als auch den Sommer in den Bergen lieben gelernt. Hier ist es so friedlich, so gesund und so positiv.

Ich schätze, Sie haben einen sehr vollen Terminkalender. Da ist die Schweiz der richtige Ort für Sie.

Ja, ich bin sehr beschäftigt, und die Schweiz ist der perfekte Kontrast. Die Berge bieten den Rahmen, in dem ich mich erhole. Besonders an den Wochenenden kann ich nachdenken und langfristige Pläne schmieden.

Sind Sie viel auf Reisen

Ich reise nicht physisch, aber sehr viel in meinen Gedanken. Ich lebe für meine Bücher und die Menschen in meinem Umfeld, und beide geben mir unendlich viel Inspiration.

Und Ihr Hund ist immer dabei?

Fast immer. Trotzdem ist Aki, ein japanischer Shiba Inu, sehr selbstständig. Er ist nicht der Typ Hund, der einem überallhin folgt. Er entscheidet selbst, wann und wohin er geht. Dass er so distanziert wirkt, macht ihn noch spezieller.

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