Lässt sich generell sagen, dass es Farben gibt, die wir als luxuriöser oder moderner empfinden?
Für mich gibt es keine Hierarchie unter den Farben. Es gibt Farbharmonien, die mich weniger begeistern. Und was die Frage nach der Modernität betrifft, ist es wie in der Mode: Frauen suchen heute eher nach subtilen, weniger nach formellen Optionen.
Wie designen Sie ein Haute-Joaillerie-Stück im Vergleich zu Schmuck, der in Serie hergestellt wird?
Konzeptionell betrachtet, ist es ein grosser Unterschied. Die Tatsache, dass ein Stück einzigartig ist, verändert das Spiel grundlegend. Plötzlich scheint fast alles möglich, bei Hermès noch mehr. Doch das birgt die Gefahr, dass man denkt: «Dann sollten wir es auch tun.» Auch einzelne Arbeitsschritte wie Montage oder Metallarbeiten werden kreativer und bieten mehr Raum für Experimente und Innovationen. Die Herausforderung liegt jedoch darin, wie ich mit der Zeit, den praktischen Anforderungen des Entwerfens und der Geschichte, die ich erzählen möchte, umgehe.
Wie kommunizieren Sie mit den Handwerkern in den Ateliers?
Der Grossteil meines Dialogs besteht aus Zeichnungen. Ideen lassen sich so viel einfacher und klarer erklären, sogar die Korrekturen. Eine Zeichnung lässt bei der Kommunikation keine Zweifel zu.
Wie lange brauchen Sie, um eine Zeichnung anzufertigen?
Wollen Sie eine Picasso-Antwort? Zwei Sekunden und ein ganzes Leben!
Wobei stossen Sie an Grenzen?
Beim Gewicht, bei der Schwerkraft. Insbesondere bei Ohrringen, Broschen und Halsketten. Daher muss ich eine Lösung finden, die den Schmuck so stark und spektakulär wie möglich macht, ohne diese Grenze zu überschreiten. Der Preis ist dabei nicht die Grenze.
Hermès steht für Diskretion. Die Kollektion «Les Formes de la Couleur» ist jedoch so gar nicht zurückhaltend.
Sie haben recht, das ist sie nicht. Irgendwann muss man akzeptieren, dass es sich um einen 5-Karat-Diamanten oder einen 10-Karat-Saphir als Ausgangspunkt der Kreation handelt. Ich versuche, für diesen Edelstein eine Notwendigkeit zu schaffen, warum er im Mittelpunkt stehen soll. Dabei entsteht ein Dialog zwischen dem Stein und den Elementen, die ich hinzufüge. Am Ende erklärt das gesamte Stück, warum dieser Edelstein im Zentrum platziert ist. Denn wenn man ihn austauscht, verändern sich die Form und alle Farben um ihn herum. Ich füge der Perfektion der Natur etwas hinzu, ohne ihre Schönheit zu überlagern.
Enttäuscht es Sie, wenn Ihre Kreationen nicht getragen werden?
Ich zähle mich eher zu den kontemplativen Menschen und kann deshalb gut nachvollziehen, dass jemand etwas kauft, nur um es zu betrachten. Für diese Person hat das Objekt eine zusätzliche Dimension. Die Marke spielt dabei keine Rolle. Als Designer möchte ich daran glauben, dass die Form einen eigenen Wert hat. Vielleicht klingt es prätentiös, aber ich denke, genau das ist einer der Gründe, warum wir Objekte kaufen.
Worin besteht die Magie von Schmuck?
Seltenheit. Manchmal Einzigartigkeit. Schmuck konzentriert unsichtbares, aber spürbares Know-how auf kleinstem Raum – das macht einen grossen Teil seiner Anziehungskraft aus.