Sinneswandel

Detoxen am Vierwaldstättersee

Im Chenot Palace in Weggis LU dreht sich alles um die Entgiftung und die Früherkennung von Krankheiten. Das führt zu überraschenden Erkenntnissen.

Chenot Palace Weggis

Das schwere Rolltor am Ende der Auffahrt öffnet sich wie von unsichtbarer Hand geführt. Vor mir liegen ein Rondell und ein organisch geschwungenes Portal mit weit auskragendem futuristischem Vordach. Darüber erhebt sich eine moderne, mit weissen Holzlatten verkleidete Fassade, die wie in Falten gelegt erscheint. Zu ihrer Rechten steht stolz ein altes Belle-Époque-Hotel mit angrenzendem Türmlihaus, beide dem Ufer des Vierwaldstättersees zugewandt. Der Kontrast zwischen den Gebäuden des Chenot Palace könnte nicht grösser sein. Hier in Weggis trifft Alt auf Neu, paart sich Tradition mit Innovation.

Mein Advanced-Detox-Programm beginnt mit dem Abendessen. 850 Kalorien stehen mir von heute an jeden Tag zu. Tierisches Eiweiss ist tabu, ebenso Salz und Zucker. Dafür wird das dreigängige Menü kunstvoll angerichtet. Als Vorspeise serviert man mir eine mit Cashewcreme gefüllte Zucchiniblüte auf Lauchpüree, der Zwischengang ist ein Melonengazpacho mit Ingwer, Minze und Bitterorangenchips, zum Hauptgang gibt es einen Buchweizenburger, flankiert von je einer halben Stange weissem und grünem Spargel, garniert mit mariniertem Chicorée und einer veganen Sauce bérnaise.

Man wähnte sich gar in einem Sternerestaurant, wären die Portionen nicht so klein und ungewohnt salzlos. Für mehr Geschmack stehen drei kleine Porzellanschälchen mit Gewürzen auf dem Tisch: Curry, Kurkuma, Cayennepfeffer. «Serve yourself», sagt mir die Bedienung freundlich. Einigermassen satt und ahnungslos gehe ich zu Bett.

Hätte man mir vorher verraten, wie schlecht ich mich bereits am nächsten Nachmittag fühlen würde, ich hätte es nicht geglaubt. Die wenigen Kalorien – zum Frühstück gab es nur einen Klecks Birnenpüree und wahlweise Tee oder Zitronenwasser –, der Koffeinverzicht und dann das eineinhalbstündige Basisprogramm – ein warmes, mit ätherischen Ölen versetztes Sprudelbad, eine schweisstreibende Fangopackung, die Hydro-Jet-Therapie (ein kalter Wasserstrahl, der den Stoffwechsel beschleunigt und die Durchblutung anregt) und eine abschliessende energetische Massage mit Schröpfgläsern – taten ihr Übriges. Die Kopfschmerzen waren anhaltend, der Hunger und die Müdigkeit kaum erträglich. Als am dritten Abend nur noch ein Glas Wasser mit Abführsalz vor mir stand, das den bevorstehenden Fastentag einleiten sollte, hatte ich mich mit meinem Schicksal bereits abgefunden. Wäre der Aufenthalt nicht so kostspielig – das sieben Nächte und sechs Behandlungstage umfassende Basisprogramm beginnt bei 5300 Franken, Zusatzbehandlungen und Fünfsternehotelzimmer nicht eingerechnet –, würden manche das Chenot Palace wahrscheinlich an diesem Punkt so schnell wie möglich wieder verlassen.

Was mir half, waren vor allem die Gespräche mit Ivana Sgheiz, General Manager des Chenot Palace. Die Italienerin entpuppte sich als gute Seele des Resorts und tauchte immer dann wie von Zauberhand auf, wenn ich ihren Zuspruch am nötigsten hatte. Ihr Rat: viel trinken, Ruhe und Spaziergänge am See. Dazu empfahl sie mir die Ganzkörper-Photo-Biomodulation, eine Liege, ähnlich einer Sonnenbank, deren mithilfe eines Lasers ausgesendete Lichtwellen den Zellstoffwechsel, die Durchblutung und die Wundheilung anregen sowie Stresshormone verringern und die Hautstruktur verbessern. Auch die Ärzte – zum Programm gehören je zwei Sitzungen bei einem Schulmediziner und einem Spezialisten für chinesische und alternative Medizin – versprachen mir baldige Besserung.

Sie kam am vierten Tag, dem Fastentag. Auf meinem Weg aus der Hydrotherapieabteilung fühlte ich mich verändert, leicht und wach. Meine Sinne schienen mit neuem Leben gespeist. Im Zitronenwasser wähnte ich den Zucker zu schmecken, das ersehnte Abendessen war wie ein Himmelreich, aromatischer und reichhaltiger, als ich es in Erinnerung hatte. Dazu machte ich eine grossartige Entdeckung: Meinen sonst wässrigen Gerstenkaffee liess ich mir zum ersten Mal mit Mandelmilchschaum servieren, dazu etwas Zimt. Dieser Dessertersatz wurde bis zum Ende meiner Kur zur allabendlichen Belohnung.

Die Chenot-Methode wurde in den 1970er-Jahren vom gebürtigen Katalanen Henri Chenot entwickelt. Der Biologe und Naturheilkundler war einer der Vorreiter der Health-Wellness-Bewegung und zielte mit seinen Behandlungen darauf ab, den Körper durch Reinigung und Entgiftung ins Gleichgewicht zu bringen und so die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Er war überzeugt: «Um bei guter Gesundheit zu bleiben, musst du in Harmonie mit dir selbst leben.» Sein erstes Zentrum eröffnete er an der Poliklinik in Cannes, dann holte ihn das Hotel Palace Merano ins Südtirol. Chenots Wissen, sein Charisma und der Charme seiner Ehefrau und Mitbegründerin Dominique lockten Gäste aus aller Welt an, darunter Diego Maradona, Luciano Pavarotti, Naomi Campbell und Cristiano Ronaldo. Mit den Jahren entwickelte Chenot seine Therapien kontinuierlich weiter, wurde ein Meister in chinesischer Medizin und integrierte alternative Ansätze.

Inzwischen besteht die Marke Chenot aus verschiedenen Spa-Konzepten, die in internationale Luxushotels integriert sind. Das Chenot Palace repräsentiert einen ganzheitlichen Ansatz. Ein Ableger davon wurde nach zweijähriger Umbauphase durch den Luganer Architekten Davide Macullo im Sommer 2020 im ehemaligen Park Hotel Weggis am Vierwaldstättersee eröffnet. Hier befindet sich auch das Headquarter. Das zweite Chenot Palace steht in Gabala, Aserbaidschan. Weitere Häuser sind in Planung.

Nachdem sich Henry Chenot 2020 aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, übergab er die Verantwortung in neue Hände. Dr. George Gaitanos, Mediziner und ehemaliger Profisportler, wurde zum CEO und wissenschaftlichen Direktor der Chenot Group ernannt. Seine Forschung und seine Investitionen in neuste medizinische Technologien bereichern und erweitern seitdem das Angebot.

Den klassischen Chenot-Säulen «Detox» und «Energize» fügte er eine dritte hinzu: «Perform». Der Gast kann nicht nur seine Knochendichte, seinen Mineralstoffhaushalt und seine Schwermetallbelastung, den Fettanteil im Körper, sein biologisches Gefässalter oder die Kollagendichte seiner Haut bestimmen lassen, er kann mithilfe innovativer Anwendungen auch seine Leistungsfähigkeit steigern: Behandlungen wie die bereits erwähnte Photo-Biomodulation gehören dazu, die Kryotherapie, bei der der ganze Körper in einer Kältekammer drei Minuten lang minus 110 Grad Celsius ausgesetzt wird, was entzündliche Erkrankungen bekämpfen soll, oder die intermittierende Hypoxie – eine Behandlung, für die bei reduzierter Sauerstoffkonzentration in Intervallen durch eine Maske geatmet wird, um den Stoffwechsel anzuregen und den Immunstatus zu steigern.

Im Interview sagt mir der Grieche, es gehe nicht allein darum, die Lebensspanne eines Menschen zu verlängern, man wolle vorrangig erreichen, im Alter so lange wie möglich gesund zu bleiben. Die Patienten würden bestenfalls einen Wandel durchlaufen, denn: «Wenn der Lebensstil zur Medizin wird, ist jeder sein eigener Arzt.»

Mit dem von Gaitanos 2021 eingeführten Molecular Lab geht das Chenot Palace nun noch einen Schritt weiter: Ein epigenetischer Bluttest auf mRNA-Basis bestimmt die Aktivität der Gene. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Gesundheit des Erbguts, das Level des oxidativen Stresses und das hormonelle Gleichgewicht. Unerwünschte und krank machende Genaktivitäten können frühzeitig entdeckt und behandelt werden. Ein weiterer Schritt zur Verlangsamung der biologischen Alterung scheint damit gelungen.

Für mich waren aber nicht nur die Diagnostik und die Therapien im Chenot Palace ein Gewinn, sondern auch die Wärme und Freundlichkeit, mit der ich hier empfangen wurde. Sie halfen mir über die schwierigen ersten Tage hinweg. Mein Tipp für alle, die es selbst ausprobieren möchten: Fragen Sie gleich zu Beginn nach Gerstenkaffee mit Mandelmilch!

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